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AoibhealUser
Anzahl der Beiträge : 401 Anmeldedatum : 27.04.13 Ort : Avalon
| Thema: Kontaktgemüse Di 30 Apr 2013 - 17:39 | |
| oder: über den vielseitigen Gebrauch von Linsen
Wieder mal in einem Hotel, in einer Großstadt. Dieses mal eine bekannte Stadt. Berlin. Eigentlich liebe ich Berlin, aber wenn ich nur Geschäftsräume sehe und mir abends Kopf und Füße rauchen ist die Begeisterung doch eher gedämpft. In dem medizinischen Großkonzern, in dem ich seit zehn Jahren arbeite bin ich die rechte Hand – oder besser die Stimme – meines Chefs. Er ist der Verkaufsleiter, ich seine Fremdsprachendolmetscherin. Für eine handvoll europäischer Sprachen, ebenso russisch, türkisch, chinesisch. Die Zukunft liegt in Asien, sagt man. Heute Abend weiß ich nur wo ich liegen möchte. Nämlich in meinem Bett. Ich bin seit sieben Uhr in der Früh auf den Beinen, ohne nennenswerte Pause, jetzt ist es nach acht Uhr Abends. Ich schleiche Gedanken versunken durch den Hotelflur, als direkt neben mir eine Tür aufgerissen wird und eine Gestalt voll in mich rein rennt. Und dann passiert was ich meinen persönlichen Albtraum nenne. Etwas flutscht aus meinem linken Auge…. Und segelt schillernd davon. Meine Kontaktlinse… „Oh, nein! Verdammt! Stehen bleiben! Keinen Schritt weiter! Unterstehen Sie sich!“ Meine Tasche rutscht mir von der Schulter. Ich rutsche auch schon. Auf allen Vieren über den Teppichboden, mit den Händen vorsichtig über den Boden tastend. Ohne die Linsen bin ich ziemlich blind. Und wenn ich die hier verliere… Neben mir kommt eine verschwommene dunkel gekleidete Gestalt nach unten. Ich drehe den Kopf zu ihm hin. Und blinzele ein paar mal heftig. Es ist als ob man durch eine gesprungene Scheibe sieht. Rechts ist alles klar, das linke Auge sieht eine gesichtslose, verschwommene Gestalt. „Wenn Sie mir sagen, was Sie da machen kann ich vielleicht helfen? Und entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie umgerannt habe. Ich hab Sie nicht gesehen.“ „Klar“, knurre ich die der Stimme nach eindeutig männliche Gestalt an, „ich bin ja auch kaum größer als ´ne Fußbank! Meine Kontaktlinse! Suchen Sie mit! Aber vorsichtig!“ Er murmelt irgendetwas unverbindliches, krabbelt ebenfalls auf allen Vieren über die teure Auslegeware. Mein Pech, dass die hier noch extrem blöd gemustert ist. Irgendwann richtet er sich auf. „Ah! Ich glaub ich hab sie!“ Ich krabbele hektisch zu ihm rüber. „Nur nicht zerdrücken! Geben Sie her! Vorsicht!“ Er lässt das dünne winzige Objekt in meine Hand gleiten. Ich schließe meine Finger darum, taste mich zu einer Wand hin und stemme mich wieder in die Vertikale. Wieso steht er noch da und ist nicht längst verschwunden? Mit dem funktionierenden rechten Auge erkenne ich, dass der Fremde in etwa meine Größe hat. Dunkler Anzug, rotes Hemd, schwarze glänzende Schuhe. Schwarz glänzendes Haar. Für meine Geschmack ein bisschen zu viel Gel drinnen. Offenbar will noch ausgehen. Es ist kein Deutscher, das hab ich aus seinen wenigen Worten heraus gehört. Er spricht englisch mit einem Akzent den ich zunächst nicht einsortieren kann. Braune warm leuchtende Augen. Eine etwas groß geratene Nase dazwischen, die aber das Gesamtbild nicht stört. „Wollen Sie sie nicht wieder einsetzen?“ „Nicht ohne Spiegel. Außerdem muss ich sie erst reinigen.“ „Kann ich Sie vielleicht…..“ „Nein!“ Ich zucke zurück als er eine Hand ausstreckt. „Nein… danke… ich will nur in mein Zimmer… ein paar Türen weiter…“ Er schnaubt durch die markante Nase. „Keine Bange, ich will Sie nicht berauben. Als guten Abend dann, Miss….“ „Äääh…. Ja.. guten Abend noch…. Kruse… Annika Kruse….“ Stottere ich herum, sammele meine Tasche ein und haste weiter den Flur entlang, ein bisschen eierig, weil ich immer nur auf dem einen Auge sehe. Ich merke, dass er mir nach sieht aber das ist mir egal. Ich will nur noch in mein Bett.
Ich bin dann doch nicht ins Bett, sondern erst in die Badewanne. Danach schlüpfe ich in meinen Morgenmantel, krame meine alte Brille heraus und geh noch mal die Unterlagen des Tages durch. Die Brille fand ich irgendwann mal schick, aber jetzt nutze ich sie nur noch im Notfall. Meine Linsen schwimmen in der Reinigungsflüssigkeit und hier im Zimmer… Irritiert hebe ich den Kopf, als es an eine Tür klopft. Ich hab nichts bestellt… Barfuss husche ich zur Türe hin, öffne sie einen Spalt. Und muss erst mal wieder blinzeln. Da steht der Rempler von vorhin vor meiner Türe. „Ja bitte?“ Hastig reiße ich die Brille herunter, klappe sie zusammen uns schiebe sie in die Tasche das Morgenmantels. Der Mann hat in einer Hand eine Flasche, in der anderen zwei Sektgläser und wedelt jetzt damit vor meiner Nase herum. „Es hat mir keine Ruhe gelassen. Ich wollte mich doch gebührend bei Ihnen entschuldigen. Sind Sie mit einem Glas Champagner einverstanden?“ Whow! Mir bleibt kurz die Sprache weg. „Ääääh… ich bin schon… na ja… nicht mehr ganz gesellschaftsfähig….“ Fällt ihm erst jetzt der Morgenmantel ins Auge? Er legt den Kopf schief, nickt dann entschlossen. „Ziehen Sie sich was über. Ich warte so lange wenn’s recht ist.“ Weil ich wohl immer noch mit dummem Gesichtsausdruck in der Türe stehe, spricht er weiter: „Drinnen wenn ich darf. Macht einen komischen Eindruck, wenn ich hier draußen im Flur rum stehe.“ Ich trete von der Türe zurück und winke ihn ins Zimmer, deute auf das Tischchen beim Balkon. Dann greife ich mir irgendetwas aus dem Schrank und verschwinde im Badezimmer. Anziehen geht ja schnell. Aber schminken mit Brille?... Quatsch, das ist doch kein Date. Auch wenn es sich so anfühlt…. Als ich aus dem Zimmer komme, hat er die Gläser schon gefüllt. Dreht sich zu mir um … und zieht die Augenbrauen hoch. „Donnerwetter! Wie haben Sie das geschafft?“ „Was denn?“ „Sie sehen toll aus! Und das in so kurzer Zeit!“ Ich nicke dazu. Weil ich die ungeliebte Brille im Bad gelassen habe, taste ich mich vorsichtig durch den verschwimmenden Raum und setze mich trotzdem um Haaresbreite neben den Sessel. Er bemerkt das wohl, sagt aber erstmal nichts. Erst als ich nach dem Glas greifen will und es umwerfe, erhebt er sich wieder. „Warum tragen Sie sie nicht?“ Weil ich ihn nur wortlos ansehe und das Gesicht verziehe, bewegt er sich selbst zum Bad hin. Mit der Brille in der Hand kommt er zurück und schiebt sie mir auf die Nase. „Es ist okay, eine Brille zu tragen!“ Wie zur Bestätigung zieht er eine schicke, rote aus der Innentasche seines Jacketts. „Ich hab auch eine, sehen Sie? Das ist eine Lesebrille, aber so fängt es doch meistens an.“ Ich sehe angelegentlich auf meine Finger. „Nicht bei mir. Der Fehler ist angeboren.“ Er reitet nicht mehr auf dem Thema herum sondern füllt mein Glas neu auf, hebt dann seins. „Also? Nehmen Sie meine Entschuldigung an?“ Jetzt wage ich es ihn anzusehen. Und dieses Lächeln haut mich aus den Schuhen. Dabei fällt mir ein… „Sie haben sich noch nicht vorgestellt.“ „Oh… wirklich?“ Er ist wohl tatsächlich überrascht. „Dann muss ich noch einmal um Entschuldigung bitten. Mein Name ist Shah Rukh Khan.“ „Angenehm.“ Er wartet ein paar Sekunden, fragt mich dann: „Sie kennen mich vielleicht?“ Ich will erst mal verneinen, dann macht es irgendwo im Hinterstübchen klick. „Nein…. Das heißt doch! Sie sind dieser Schauspieler, nicht wahr? Aus ….. Indien? Ja, doch, klar, aus Indien. Was machen Sie denn hier in Deutschland?“ Er erzählt mir, dass er wegen Vorgesprächen für ein Filmprojekt in Deutschland ist. Ich merke gar nicht, dass ich immer lockerer werde. Erst als ich herzlich lache, deutet er lächelnd auf mein Gesicht. „Haben Sie nur eine Minute während der letzten Stunde über Ihre Brille nach gedacht?“ „Nein!“ Ich bin selbst überrascht. Und dann reden wir noch lange, über Gott und die Welt wie man so sagt.
Ich treffe ihn am anderen Morgen am Frühstücksbuffet wieder. Dieses mal wieder mit meinen Linsen. „Schade“, raunt er mir ins Ohr, „ich vermisse die Brille, irgendwie.“ Wir setzen uns an denselben Tisch. Und er lädt mich zum Abend ein mit ihm zum tanzen zu gehen. Ich willige ein, obwohl ich Bedenken habe.
Der Abend ist im nach hinein – wenn ich darüber nach denke – der entscheidende Wendepunkt. Oder nein – vielleicht doch schon die entschlüpfte Linse im Hotelflur. Tanzen kann er offenbar. Ich hatte ganz vergessen, dass er das ja wohl in seinen Filmen immer macht. Aber er kann auch noch was anderes. Küssen. Und es fühlt sich so… vertraut an… so richtig…. als ob wir uns schon ewig kennen würden. Mir wird beim tanzen so heiß, dass mir glatt die Brillengläser beschlagen. Ich hab sie nur ihm zu Liebe aufgesetzt aber jetzt wünschte ich, ich hätt’s nicht getan. Irgendwann schiebt er mich aus der Menschenmenge weg, in eine ruhige Ecke. „Annie…. Komm mit mir. Komm mit mir nach Mumbai. Sieh dir an wie ich lebe. Wo ich arbeite. Lerne meine Kinder kennen. Sie sind nur jedes zweite Wochenende bei mir aber ich würde töten für sie. Ich…. Ich möchte das hier nicht aufgeben. Es ist… du bist mir wichtig geworden in den nur so wenigen Tagen. Ich möchte noch viel mehr Zeit mit dir verbringen. Dich noch viel besser kennen lernen. Willst du?“ Und mein Mund öffnet sich schon und antwortet ohne zu Hilfenahme des Gehirns. „Ja. Ja, okay. Ich werde telefonisch Urlaub einreichen. Ich hab ohnehin noch jede Menge Resturlaub vom letzten Jahr. Und…. Ich möchte dich auch näher…. Besser kennen lernen…“ Ihm entweicht ein Seufzer der offensichtlichen Erleichterung. Und er zieht mich wieder dicht an sich heran…… Drei Tage später fliege ich mit ihm und der ganzen Begleittruppe nach Indien. Ich bin sprachlos und auch etwas geschockt über den Aufruhr am Flughafen. Ich hätte niemals geglaubt, dass er wirklich so berühmt ist. Und ich spüre die giftigen, neugierigen Blicke der Frauen hinter den Absperrungen im Rücken. Aber das ist schnell vergessen. Ein weiteres mal fällt mir das Kinn runter als ich sein Haus zu sehen bekomme. Ich bin erstmal sprachlos. Er lächelt nur und schiebt mich hinein. Dieser Abend – und diese erste Nacht – gehört nur uns beiden. Wir sind allein in dem großen Haus. Am nächsten Abend dann – nach einer unglaublichen Nacht, einem Spaßfrühstück im Bett und einem kuscheligen Tag – lädt er mich zum Essen ein in ein nobles indisches Restaurant. „Was möchtest du probieren? Oder nein… lässt du mich aussuchen?“ Ich kneife kritisch die Augen zusammen. „Wehe du nimmst was zum Feuer spucken!“ Er hebt abwehrend die Hände und ich nicke also. Als dann das Essen kommt, starre ich erst ungläubig darauf, dann kann ich nicht anders. Und lache schallend. Es ist ein Linsengericht…..
Jetzt, nach weiteren sechs Monaten, bin ich immer noch in Indien. Und werde auch hier bleiben. In meiner neuen Wahlheimat. Und….. bei ihm……
E N D E _________________ "Lebe deinen Traum. Jeden Tag!" |
| | | AoibhealUser
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| Thema: Re: Kontaktgemüse Di 30 Apr 2013 - 17:40 | |
| - Niggi3012 schrieb:
- cool ^^ kurz aber sehr schön geschrieben... ^^
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| | | AoibhealUser
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| Thema: Re: Kontaktgemüse Di 30 Apr 2013 - 17:41 | |
| @Niggi 3012:
Danke! Schön, das es dir gefallen hat!
Demnächst gibts noch mehr von mir! Freue mich wenn du dann mal wieder rein siehst! _________________ "Lebe deinen Traum. Jeden Tag!" |
| | | AoibhealUser
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| | | | AoibhealUser
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| Thema: Re: Kontaktgemüse Di 30 Apr 2013 - 17:42 | |
| - Chrisha schrieb:
- AAAAAAASTRIDdy...isch liiiiiebe Linseneintopf......!!!!
...wuuuah, wat hab ich mir hier grad´am Tisch beim Lesen gekharingelt...als Annie ihre Linse auf allen 4ren auf dem plöden Teppischboden khasucht hat... ...ich hab´die beiden da förmlich vor Augen gehabt, als sie wie khaleine Hundis da ´rumgekharabbelt sind...`*grööööhl*... ...und sehr formvollendet dann seine Art der Entschuldigung...besonders, dass er ihr erstmal Gelegenheit gab, sich anzuziehn´...khaaaaaaaanz gentleman-like...shahöööööön... ...alles weitere hat mein Kopp-KHAINO in Shahwung gebracht...ER is´aber auch ´n Süßer...*shahwärm*...
...KGs sind doch wat Shahönes... ...tu´dir khaeinen Zwang an...mach weiter so...*KHANUTSHAH* |
| | | AoibhealUser
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| Thema: Re: Kontaktgemüse Di 30 Apr 2013 - 17:44 | |
| - SandySRK schrieb:
- [align=justify] In der Kürze liegt die Würze.
Eine kleine KG, die trotzdem voller Inhalt steckt. Ich bewundere deine Art, Aoibheal, dass du es schaffst, dass sie trotzdem SO vollkommen klingt. Die Geschichte ist erzählt - eben kurz und bündig - mit Happy End und man hat nicht das Gefühl, dass da noch etwas offen steht.
Außerdem mag ich die witzige Art, in der du geschrieben hast. Das ist der Moment, an dem ich Brillenträger vollkommen beneide. Brillen verbinden - mehr, als einige glauben. Vor allem rote Brillen, haben es in sich...
Okay, ich muss zugeben, dass ich mit den Augen ein paar kleine Probleme habe und mich seit 2 Jahren wehre, den Augenarzt aufzusuchen, eben weil ich so absolut kein Brillengesicht habe und befürchte, schlicht und einfach, schrecklich mit einem "Nasenfahrrad" auszusehen.
Aber wenn ich das SO lese, überlege ich es mir doch noch mal. Denn wie gesagt: Brillen verbinden - mehr, als einige glauben. Und mehr, als ICH bisher angenommen habe...
Zum Augenarzt! [/align] |
| | | KayolGästeservice
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| Thema: Re: Kontaktgemüse Fr 3 Mai 2013 - 18:04 | |
| eine tolle KG ist das echt schön geschrieben
LG Kayol |
| | | GhoraaUser
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| Thema: Re: Kontaktgemüse Sa 4 Mai 2013 - 13:34 | |
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| | | SuhaniAdmin
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| Thema: Re: Kontaktgemüse Mo 20 Mai 2013 - 18:25 | |
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| Thema: Re: Kontaktgemüse | |
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